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Nationalmannschaft: WM-Quali-Abschlussbericht

04. Februar 2024 (Lettland - Liepaja)

«Je höher die Erwartung, umso grösser die Enttäuschung»

 

Die WM-Qualifikation in Lettland ist für Liechtensteins Unihockeyaner mit vier Niederlagen nicht nach Wunsch verlaufen. Trotzdem war es die bislang beste Kampagne, die hoffen lässt.

 

Nach der letzten Weltmeisterschafts-Qualifikation im Mai 2022 trat Liechtensteins Unihockey-Nationalmannschaft mit einem Hochgefühl die Rückreise aus Lettland an. Nach dem ersten Sieg seit zwölf Jahren waren die Fortschritte klar erkennbar, die einst weit entfernte Konkurrenz näher gerückt.

 

So wurden auf die diesjährige Qualifikation an der Westküste Lettlands die internen Erwartungen hochgeschraubt. Das Ziel: Die Teilnahme an einem Play-off-Spiel zur WM im Dezember in Malmö (Sd). Dazu wäre Rang 2 oder 3 in der Vierergruppe nötig gewesen. Vor allem auf die zweite Gruppenpartie gegen Island wurde das Augenmerk gerichtet. So igelte sich Liechtenstein im Startspiel gegen Gastgeber Lettland – Fünfter der letzten WM – auch nicht ängstlich vor dem eigenen Tor ein, sondern versuchte offensiv Akzente zu setzen. Dies auf Kosten von zusätzlichen Gegentoren. Das Schlussresultat sprach Bände: 3:29.

 

Allerdings kann im Unihockey, wo Tore innert Sekunden fallen können, ein Resultat durch Drei geteilt werden, um ein vergleichbares zu anderen Sportarten wie Fussball oder Eishockey zu erhalten. Im Final des WM-Qualiturnieres gewann beispielsweise Ex-Weltmeister Finnland mit 11:3 gegen Lettland.

 

Nicht zu vergessen: Beim letzten Turnier im Mai 2022 wurde zu Testzwecken die Spielzeit auf dreimal 15 Minuten reduziert. Dies, um «Steinzeitresultate» zu verhindern und kleineren Nationen den Einstieg bei WM-Qualifikationen zu erleichtern. Weniger hohe Resultate waren auch die Folge, trotzdem drängten vor allem die grossen Nationen darauf, wieder zur regulären Spielzeit von dreimal 20 Minuten zurückzukehren. So waren «Goal Showers», wie es der IFF nannte, bei den diesjährigen Qualiturnieren wieder eher die Regel, als die Ausnahme.

 

Die drei Treffer Liechtensteins gegen Lettland waren bestes Doping. Denn gegen Island trat erstmals seit vielen Jahren eine liechtensteinische Mannschaft selbstbewusst und von sich selbst überzeugt auf. Gegen das in der Weltrangliste zehn Plätze besser positionierte Island waren die Liechtensteiner über weite Strecken der Partie spielbestimmend und führten diese auch lange an. Am Ende waren die Nordländer personell etwas breiter aufgestellt und hatten mit Andreas Stefansson – einem profilierten Skorer in der schwedischen Superliga, der «NHL» des Unihockeys – den überragenden Einzelspieler. Das Resultat von 6:7 zeigt aber auch auf: Beim «Würfelspiel» hatten die Isländer mehr Glück.

 

Gegen Deutschland (Sechster der letzten WM) gab es tags darauf eine etwas zu hohe 1:19-Niederlage, während sich die Niederländer im Platzierungsspiel etwas cleverer anstellten und 6:2 gewannen – zwei Gegenteffer fielen kurz vor Schluss ins leere Tor. Die «All-In»-Strategie Liechtensteins in der Schlussphase wurde nicht belohnt.

 

Trotz den vier Niederlagen fällt das Fazit der Teamleitung sehr positiv aus. «Es war die beste Kampagne, die wir bisher führten», ist Team-Manager Franz Maurer überzeugt. Der Maurer muss es wissen: Seit dem ersten Spiel von Liechtensteins Unihockey-Nationalmannschaft anno 2008 ist er dabei. «Früher hofften wir, nicht zu hoch zu verlieren», sagt Maurer, «jetzt spielen wir mit einigen Teams auf Augenhöhe.» Dass nach Turnierende hängende Köpfe zu sehen waren, ist für Maurer rasch erklärbar. «Je höher die Erwartungen, umso grösser die Enttäuschungen», lautete seine Schlussfolgerung.

 

Die Fortschritte tragen die Handschrift von Cheftrainer Marco Kipfer. Seit der Gamser kurzfristig bei der WM-Quali 2016 einstieg, zeigt die Kurve nach oben. Mit einem klaren Defensivkonzept hat der erfahrene Trainer die Abwehr stabilisiert und ein neues Denken in die Mannschaft gebracht. «Ich hoffe sehr, dass er weitermacht», sagt Maurer. Eine Nationalmannschaft ohne Kipfer ist mittlerweile fast nicht mehr vorstellbar.

 

Ein Dauerthema bei Liechtenstein Unihockey ist die Spielersituation. Genügend Spieler zu finden, ist immer eine Herkulesaufgabe für die Teamleitung. Bei dieser Kampagne traten 16 Feldspieler und zwei Torhüter die Reise nach Lettland an. Die Altersspanne reichte vom 16-jährigen Jan Schwenninger, der erstmals überhaupt auf Grossfeld spielte, bis hin zu Philipp Wuggenig, der seinen Rücktritt vom Rücktritt gab und mit 39 Jahren so fit wie noch nie war.

 

Ein Glücksfall war Sven Schneider: Nur per Zufall erfuhr Maurer, dass der 1.-Liga-Spieler aus Rapperswil den liechtensteinischen Pass besitzt. Kurz vor Meldeschluss konnte Schneiders Teilnahme gefixt werden. Trotz nur einem einzigen Training vor der «Mission Liepaja» fügte sich der blitzschnelle und technisch beschlagene Allrounder bestens ins Team ein.

«Spieler wie Schneider, die in der Schweiz in höheren Ligen spielen und von ihren Eltern oder Grosseltern die liechtensteinische Staatsbürgerschaft geerbt hätten, wären für uns extrem wertvoll», sagt Maurer, «diese zu finden, ist aber schwer. Oftmals wissen sie gar nicht, dass sie den Pass beantragen könnten oder dass es eine Nationalmannschaft gibt.»

 

Ein etwas breiteres Kader täte den gestiegenen Ansprüchen der Nationalmannschaft gut. In Liepaja hing die Torproduktion Liechtensteins vor allem von Remo und Andreas Tischhauser ab. Die beiden Brüder aus Grabs waren an rund 90 Prozent aller Tore Liechtensteins beteiligt. Auch beispielsweise am 1:0 gegen Deutschland, einem wahrlich historischen Treffer.

Je länger das Turnier dauerte, umso mehr erhielten sie eine Sonderbewachung der gegnerischen Abwehr. «Ein breiteres Kader würde auch die Intensität in den Trainings erhöhen», fügt Team-Manager Maurer an. Oftmals musste auf Gastspieler oder -spielerinnen in den Natitrainings zurückgegriffen werden.

 

Das Wichtigste, wenn es um die Zukunft der Nationalmannschaft geht, bleibt aber der UHC Schaan. Der einzige Unihockeyklub Liechtensteins ist das Herzstück der Nati, mehr als die Hälfte spielt bei den Schaanern oder hat seine Wurzeln dort. Einige vielversprechende Talente präsentierten sich auch in den Vorbereitungstrainings. «Es ist erfreulich, dass Nachwuchs nachkommt», sagt Team-Manager Maurer, «nur wenn es dem UHC Schaan gutgeht, ist der Fortbestand der Nationalmannschaft möglich.»

 

Es bleibt zu hoffen, dass weitere Teilnahmen an WM-Qualifikationen möglich sind. Der Weg stimmt, es steht und fällt aber, mit der Bereitschaft der Akteure. Bis zur nächsten Quali dauert es zwei Jahre. Einige der Spieler, die in der Ära Kipfer zu Leistungsträgern wurden, gehen langsam auf die 30 zu. «Da rückt auch Anderes in den Vordergrund», weiss Maurer. Ebenso ist es eine finanzielle Frage, da alle Teammitglieder rund 1000 Franken aus dem eigenen Sack berappen.

 

Entschädigt werden sie jeweils mit einer Woche «Profileben» und einem Teamgeist, der seinesgleichen sucht. «Die Stimmung in dieser Woche ist jeweils einzigartig», sagt Maurer, «ebenso ist es grossartig zu sehen, wie Spieler innert Tagen ein ganz anderes Niveau erreichen.» So wie beispielsweise der junge Grabser Hannes Bicker, der bei seinem zweiten Länderspiel Islands Star Stefansson phasenweise abmeldete – als 2.-Liga-Spieler gegen einen «NHL»-Star. «Solche Sachen bleiben», sagt Maurer, «und lassen auf eine erfolgreiche Zukunft hoffen.»

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